Typischerweise kommt eine Haftung für einen Schaden dann in Betracht, wenn er rechtswidrig und schuldhaft (vorwerfbar) verursacht wurde. Die Rechtswidrigkeit kann sich daraus ergeben, dass gegen einen Vertrag (vertragliche Haftung), oder gegen ein Gesetz (deliktische Haftung) verstoßen wurde.
Einer medizinischen Behandlung beim niedergelassenen Arzt oder im Krankenhaus liegt regelmäßig ein Behandlungsvertrag bzw Krankenhausaufnahmevertrag zugrunde. Dieser wird zwischen dem Patienten und dem Arzt bzw. dem Patienten und dem Krankenhaus abgeschlossen und bedarf keiner bestimmten Form.
Er kann also schriftlich, mündlich oder auch konkludent (stillschweigend) abgeschlossen werden und regelt die Rechte und Pflichten zwischen Arzt/Spital und dem Patienten. Es werden in dem Vertrag zB Vorerkrankungen, Allergien/Unverträglichkeiten des Patienten abgefragt, die Kostentragung geregelt und eine fachgerechte Behandlung durch den Arzt bzw. das Personal des Spitals vereinbart. Dieser Vertrag liegt dann der medizinischen Behandlung zugrunde.
Tipp: Natürlich empfiehlt es sich – und wird bei Krankenhausaufenthalten und Operationen auch typischerweise erfolgen – ein schriftlicher Vertrag. Nicht nur als Gedächtnisstütze, sondern auch aus Beweiszwecken für den Fall, dass bei der Behandlung etwas schief laufen sollte.
Wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein, dass es sich bei einem Behandlungsvertrag meist um einen sog „gemischten Vertrag“ handelt, er sich also aus Komponenten unterschiedlicher Vertragsarten zusammensetzt. Es wird kein bestimmter Erfolg geschuldet, sondern das sorgfältige, sachgerechte und dem Stand der aktuellen medizinischen Wissenschaft entsprechende Bemühen, einen Erfolg herbeizuführen und eine dementsprechende Behandlung durchzuführen.
In dem Fall, dass aber eine klar von ärztlicher Tätigkeit abgrenzbare Leistung, wie etwa das Herstellen einer Zahnprothese oder eines Röntgenbildes geschuldet wird, liegt ein Werkvertrag vor und es wird ein entsprechender Erfolg – nämlich die mängelfreie Herstellung des Werkes – geschuldet.
Nur, dass eine Behandlung nicht den angestrebten Erfolg gebracht hat, oder gar einen Schaden verursacht hat, begründet also per se noch keine Haftung des Arztes/Krankenanstaltenträgers.
Gemäß § 49 Abs 1 ÄrzteG haben sich Ärzte laufend im Rahmen anerkannter, in- oder ausländischer Fortbildungsprogramme fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften und der fachspezifischen Qualitätsstandards zu behandeln. Be-/handelt der Arzt nach diesen Regeln der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung, dann spricht man von einer Behandlung nach den Regeln der Kunst (Behandlung lege artis). Diese Behandlung schuldet der Arzt dem Patienten.
Weicht er von diesen medizinischen Standards grundlos ab, dann spricht man von einem Behandlungsfehler (auch Kunstfehler genannt). Wenn der Arzt durch diesen Behandlungsfehler den Patienten schädigt und ihm sein Verhalten auch vorwerfbar ist, dann kann es zu Schadenersatzansprüchen des Patienten kommen.
Vom Begriff des Behandlungsfehlers sind unterschiedlichste Bereiche der ärztlichen Tätigkeit erfasst, wie zB
Organisationsfehler
Verletzung von Aufsichtspflichten
Verstoß gegen Hygienestandards
mangelnde Wartung von Geräten
Fehler bei der Anamnese und Diagnoseerstellung
Beratungsfehler
Fehler während des medizinischen Eingriffs
falsche Medikation udgl.
Folgende Schäden können etwa von einer Haftung umfasst sein:
Die Verletzung am Körper selbst (hier wird die Körperschädigung selbst in Geld bewertet)
Heilungskosten und Schmerzengeld
Spät- und Dauerfolgen
Entgelt für Entstellung / geminderte Heiratschancen
Verdienstentgang
Pflegekosten und sonstiger Mehrbedarf
Im Falle des Todes Trauerschaden der Hinterbliebenen
Unterhaltszahlungen für Hinterbliebene
Kosten der Rechtsverfolgung
Neue Behandlungs- / Operationsmethoden können – obwohl sie per definitionem noch nicht zum Stand der Wissenschaft und Erfahrung zählen – dennoch angewendet werden: Wenn der Arzt eine neue Methode anwendet, die noch nicht wissenschaftlich anerkannt ist und für die noch keine Erfahrungswerte bestehen, dann muss er den Patienten genau darüber aufklären, dass er medizinisches Neuland betritt.
Willigt der Patient dennoch in die Behandlung ein, dann ist die Anwendung der neuen Methode nicht mehr als Behandlungsfehler zu qualifizieren.
Patienten haben ua die gesetzlichen Rechte auf
Persönliche Aufklärung
Selbstbestimmung und Einwilligung in die Behandlung
Einsicht in die Krankengeschichte
Behandlung nach aktuellen ärztlichen Standards
Insbesondere der ordnungsgemäßen Patientenaufklärung und der entsprechenden Einwilligung des Patienten (seines Vertreters) kommt grundlegende Bedeutung zu.
Zum Recht des Patienten auf persönliche Aufklärung gehört, dass er über die Diagnose, mögliche Behandlungsformen, Risken, Nebenwirkungen, mögliche Konsequenzen und Erfolgschancen der Behandlungsformen/Operationsmethoden verständlich und genau aufgeklärt wird.
Sowohl die Angaben des Patienten über etwaige Vorerkrankungen, Unverträglichkeiten, erfolgte Operationen udgl, als auch die sachgerechte, sorgfältige, vollständige und verständliche Aufklärung des Patienten (seines Vertreters) sind besonders wichtig, da sich aus diesen Erklärungen vertragliche Haftungen ergeben können.
Etwaige Merkblätter, die dem Patienten zB vor Operationen ausgehändigt werden und in denen die Operation, Risken, Erfolgschancen udgl beschrieben werden, sind selbstverständlich sinnvoll für den Patienten, ersetzen aber nicht die persönliche und genaue Aufklärung durch den Arzt.
Wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt wurde und sich zu der Behandlung trotz Kenntnis von Risken usw einverstanden erklärt hat, dann kommt eine Haftung für Schäden nur in Betracht, wenn der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat, er also nicht nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst behandelt hat und dadurch ein Schaden eingetreten ist. Hat er aber lege artis behandelt, und hat sich dennoch ein Behandlungsrisiko verwirklicht, über das der Patient aufgeklärt wurde, dann bestehen im Schadensfall keine Schadenersatzansprüche.
Ist aber keine oder keine ausreichende/verständliche Aufklärung erfolgt, dann kann es nach der Judikatur auch dann zu einer Haftung kommen, wenn kein Behandlungsfehler vorlag, und sich ein Risiko verwirklicht hat, in das der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht eingewilligt hätte.
Mit dem Recht auf Aufklärung ist also das Recht auf Selbstbestimmung und Einwilligung in die Behandlung eng verbunden. Da ärztliche Eingriffe grundsätzlich „Körperverletzungen“ im Sinne des Strafgesetzbuches darstellen (siehe §§ 83ff StGB), sind sie nur dann erlaubt, wenn der Patient in sie einwilligt und sie nicht sittenwidrig sind (siehe § 90 StGB). Hat also ein Patient in den Eingriff nach ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt, dann kann es, wie schon erwähnt, zu einer Schadenshaftung im Fall eines Behandlungsfehlers kommen. Hat der Patient nicht eingewilligt, oder konnte er nicht einwilligen, ist die Haftung möglich, selbst wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, aber der Patient bei Kenntnis des Risikos nicht in die Behandlung eingewilligt hätte.
Einen Sonderfall stellen Notfallbehandlungen dar: Grundsätzlich müssen Aufklärung und Einwilligung erfolgen und ggf gesetzliche Vertreter/Bevollmächtigte ärztlicherseits kontaktiert werden. Ist das aber nicht möglich, so muss der Arzt dennoch lebensrettende Maßnahmen setzen (vgl § 48 ÄrzteG). Die Einwilligung des zu Rettenden wird in diesem Falle angenommen („mutmaßliche Einwilligung“) und eine Haftung kommt diesfalls in Betracht, wenn der Arzt einen Behandlungsfehler gemacht hat.
Hat der Patient keine wirksame Einwilligung gegeben (etwa mangels der dafür nötigen Einsichtsfähigkeit, oder weil er einem rechtlich relevanten Irrtum unterlag, Zwang oder Täuschung ausgesetzt war) und lag auch keine Notfallbehandlung vor, dann kann es auch zu einer strafrechtlichen Verantwortung des Arztes nach den Körperverletzungs-/Tötungsdelikten des Strafgesetzbuches kommen.
bei ordnungsgemäßer Patientenaufklärung und Einwilligung ein Behandlungsfehler unterlaufen ist
eigenmächtig ohne Einwilligung oder ohne ausreichende Aufklärung behandelt wurde und sich ein Risiko verwirklicht hat, in das der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht eingewilligt hätte, selbst wenn kein Behandlungsfehler unterlaufen ist (OGH 7.2.1989, 1 Ob 713/88, OGH 26.9.2003, 3 Ob 131/03s )
Bei einer Notfallbehandlung ohne Einwilligung bei Vorliegen eines Behandlungsfehlers
Wer für den Schaden einzustehen hat, richtet sich danach, mit wem der Patient den Vertrag abgeschlossen hat. Handelt es sich um einen niedergelassenen Arzt, dann haftet dieser aus dem Vertrag. Hier muss der Arzt im Falle eines Prozesses beweisen, dass ihn an der Vertragsverletzung kein Verschulden trifft (Beweislastumkehr).
Liegt der Behandlung ein Krankenhausaufnahmevertrag zugrunde, dann besteht das Vertragsverhältnis zwischen Krankenhaus/Krankenanstaltenträger und Patient, aber nicht zwischen Arzt und Patient. Daher haftet in diesem Fall das Krankenhaus/Krankenanstaltenträger für den Fehler aus dem Vertrag mit dem Patienten (s § 1313a ABGB) und muss sich wiederum freibeweisen, dass den Arzt und das Spital keine Schuld an dem Fehler trifft.
Der Arzt hingegen haftet nicht aus einem Vertrag mit dem Patienten, sondern allenfalls deliktisch, wenn er vorwerfbar gesetzwidrig gehandelt hat. Hier obliegt es grundsätzlich dem Patienten, dem Arzt das Verschulden nachzuweisen. Auch wenn das Krankenhaus und der Arzt haften, bekommt der Patient seinen Schaden natürlich nur ein Mal ersetzt (durch Krankenhaus, Arzt bzw deren Versicherungen).
In jedem Fall ist es so, dass der Vertragspartner auch für das Verschulden der Personen einstehen muss, derer er sich zur Vertragserfüllung bedient hat. Also sowohl der Arzt als auch das Krankenhaus für das beschäftigte Personal.
Zur Geltendmachung etwaiger Schadenersatzansprüche hat der Patient 3 Jahre ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers Zeit. Der Anspruch muss aber binnen 30 Jahren ab der Behandlung geltend gemacht werden.
Tipp: Es empfiehlt sich, bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler Einsicht in die Krankengeschichte zu nehmen und Kopien anzufertigen, und bei Vorliegen von Schmerzen ein „Schmerztagebuch“ zu führen, in dem man die Dauer und Stärke der Schmerzen verzeichnet. Dies erleichtert die Durchsetzung eines Schmerzengeldanspruchs.
Regelmäßig handelt es sich im Bereich der Ärztehaftung um komplexe Fälle mit herausfordernder Beweisführung, die immer im Einzelfall zu bewerten sind. Hier empfiehlt die Konsultation der Patientenanwaltschaft, der Schiedsstellen der Ärztekammern oder eines Anwalts mit Spezialisierung auf Medizinrecht/Arzthaftung.
Dieser Artikel wurde von Mag. Sonja Vrbovszky verfasst.
Bild: ©Shutterstock
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